20.07.10

episode 35

„träumst du, tellertaxi, oder haben wir neuerdings selbstbedienung?“ peer saß an tisch eins und präsentierte von da aus sich selbst den gästen, sowie seinem besuch aus frankfurt seinen laden. zuerst hatte sie frankfurt für peers bruder gehalten, aber es handelte sich vielmehr um seinen klon. die gleichen blond durchsträhnten, halblangen surferhaare, die geheimratsecken blitzten schon durch, gar nicht mehr lange bis schluss war mit der ganzen herrlichkeit. erwartungsgemäß waren die beiden, genauso wach und betrunken wie sie sie am vorabend zurückgelassen hatte, pünktlich zum frühstücken erschienen. „wir bleiben hier bis die sonne aufgeht, dann gehen wir rüber zu den asis auf die wiese ins hartz vier solarium und sind um zehn wieder da.“ versprochen ist versprochen, dachte sybille, biss die zähne zusammen und brachte ihnen ohne zu wissen, was sie eigentlich genau wollten, mit einem überbetonten „aber gerne“ noch ein bier an den tisch. sie schien damit goldrichtig zu liegen, denn beide griffen sofort danach, nickten und mahlten wie gehabt mit dem kiefer. das ging seit gestern nacht so, mit den worten: „gib mir mal die karte vom robert“ hatte es angefangen. weil die ziggi karte immer irgendwo verschwand, hoben sie die von den gästen verlorenen und nicht wieder abgeholten ec karten auf, um den automaten weiterhin freischalten zu können. keiner hatte ihn kommen oder gehen sehen, aber irgendwann lag die karte von robert stadlober bei den fundsachen und peer fand es wohl cool oder witzig, sich damit jetzt lines im zum büro umfunktionierten behindertenklo zu legen. im behindertenbüroklo, genauer gesagt. man kann ja auch mal eine kleinigkeit langsamer arbeiten, insbesondere wenn man weiß, dass man es auch schneller kann, dachte sie, lehnte sich mit aufreizender gelassenheit an die schmalseite des tresens und ließ sich in das wortreiche geprotze der beiden hineinziehen. „wenn einer was auf die beine stellt hier in berlin, dann sind wir das: münchen, frankfurt, hamburg“, sagte frankfurt. „auch beim pimpern“ fiel peer ihm ins wort, „wenn du hier eine uschi mit nach hause nimmst, charmant mein ich, nur zum pennen, und sagst hier ist das sofa, bitte schön, penn da, gute nacht, dann liegt die schon in deinem bett, arm aber sexy, die erwarten das von dir: haushaltslöcher stopfen.“ meine güte, seufzte sybille. die sonne schlierte durch die ungeputzten scheiben, staub flimmerte vor ihren augen, sie ließ den kopf auf die arme sinken, stieß mit der stirn gegen die uhr, es schmerzte am handgelenk, vielleicht hatte sie letzte nacht darauf gelegen. ihr war schwindelig.
„uschi! trinkeld!“ frankfurt hatte sich eine nacht und einen vormittag von peer einladen lassen und knallte ihr jetzt einen zehner vor die nase. hab verstanden, dachte sie, haushaltslöcher stopfen und packte den schein mit spitzen fingern in ihr portmonee, sie hatte sich ein extra-fach für trinkgeld von ekligen leuten angelegt. normalerweise kaufte sie sich am nächsten tag oder, wenn es nicht reichte, nach einer weiteren schicht irgendetwas teures davon. heute hatte sich ordentlich was angesammelt. gegenüber war ein schuhladen. sie straffte ihren rücken.
„peer“ sagte sie, „weißt du was: ich geh mal eben schuhe kaufen.“

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